Blog - Teil 1

Feminismus-Anfängerin

Bin ich eine „echte“ Feministin?

An manchen Tagen - so wie heute - frage ich mich, ob ich eine „echte“ Feministin bin. Mein Mann würde das eindeutig bestätigen. Halten mich meine EVA-Kolleginnen auch für eine? frage ich mich. Ich habe noch nie mit ihnen darüber gesprochen. Irgendwie bin ich ja auch davon ausgegangen, dass ich eine bin. Und trotzdem stelle ich mir manchmal diese Frage: Bin ich eine „echte“ Feministin? Und da bin ich auch nicht die Einzige. Mit „The future is female“, herausgegeben von Scarlett Curtis, gibt es eine  Sammlung derer, die sich fragen, ob sie eine Feministin sind. Und jede für sich hat eine eigene Form und Antwort auf die Frage gefunden. Vielleicht gibt es auch keine eindeutige Antwort, weil Feminismus oder Feministin zu sein ein immer währender Prozess ist!

Warum ich eine echte Feministin bin!

Was oder wer ist schon „echt“? Streiche ich das Adjektiv, so kann ich mit Klarheit sagen: Ich bin eine Feministin! Und warum? Weil mir Gleichberechtigung wichtig ist. Mir ist es wichtig, dass Frauen* sich ihrer Stärken bewusst werden - egal ob diese gesellschaftlich Frauen* oder Männern* zugeschrieben werden. Ich arbeite in einem Ev. Frauenbegegnungszentrum, das Frauen* Räume bietet, Frauen*räume schafft, um sich zu treffen, auszutauschen, zu lernen, sich zu engagieren. Mir ist es wichtig, dass meine Töchter lernen, dass sie Nein sagen dürfen. Und Nein auch Nein meint, wenn gleich eine meiner Töchter das auch mal verdreht und Nein Ja heißen soll und Ja Nein :-/... dass sie bestimmen, wann sie die Nähe eines anderen Menschen möchten und wann nicht; dass sie sich ihre eigene Meinung bilden können. Mir ist es wichtig, dass Frauen* und auch Männer* selbst bestimmen können, ausprobieren können, welchen Weg sie gehen: alleine oder in einer Partner*innenschaft; mit Kindern oder ohne; mit Erziehungszeit oder beruflicher Verwirklichung und, und, und. ... Wahrscheinlich fallen mir nachher noch viel mehr Dinge ein, die ich feministisch finde...

Die Macht der Worte

Ich bemühe mich, eine inklusive und geschlechtergerechte Sprache zu sprechen. Mit etwas holpern gelingt mir das beim Schreiben schon sehr oft, würde ich sagen. Beim Sprechen stocke ich doch auch manchmal, wenn ich die „Sternchen-Pause“ sprechen will.
 Aber halt, was ist denn eigentlich inklusive Sprache, was ist geschlechtergerechte Sprache? Beinhaltet die eine auch schon die andere? Die Evangelische Kirche in Deutschland hat eine Broschüre herausgebracht, die ich sehr hilfreich finde: „Sie ist unser bester Mann! – Wirklich? Tipps für eine geschlechtergerechte Sprache“ (https://www.ekd.de/broschuere-geschlechtergerechte-formulierungen-56157.htm; 27.04.2022). Insbesondere weil ich schon das ein oder andere Mal die Argumentation gehört habe, dass geschlechtergerechte Sprache umständlich sei und den Lesefluss stört. Meines Erachtens ist das reine Gewöhnung. Wenn ein junger Mensch, der sich deutlich als Frau definiert, sagt: „Ich will Lehrer werden“, dann sträuben sich bei mir die Haare. Bin ich zu streng? Worte haben eine Macht. Worte schaffen Realitäten. Denken wir nur mal an so verinnerlichte Glaubenssätze aus der Kindheit, wie „Mädchen können nicht werfen.“ - Wenn das ein Mädchen nur oft genug gehört hat, dann denkt sie es auch und traut sich am Ende wirklich nicht zu, einen Ball zu werfen. Hm, ist das ein gutes Beispiel? Ich kann tatsächlich auch nicht gut werfen, obwohl ich mich an einen solchen Glaubenssatz nicht erinnern kann?!

Aber wie ist das jetzt nochmal mit der inklusiven Sprache? Nach meinem Verständnis, besteht da (noch) keine Einheitlichkeit. Inklusiv scheint abhängig vom Kontext zu sein. Es geht darum, (möglichst) keine Menschengruppe auszuschließen. Das geht dann z. B. mit geschlechtergerechter Sprache und/oder einfacher und/oder leichter Sprache. Die Diskussion darüber ist jedenfalls noch nicht abgeschlossen. Und im Diskurs darüber zu bleiben ist besser als die Akte mit einem nicht zufrieden stellenden Ergebnis zu schließen.

Den Blog zum Nachören findest du in unserer Mediathek unter Podcast - hörbar.feministisch.

Und hier geht es zu Folge 2, Folge 3 und Folge 4.

Autorin: Anne Wisseler-Soos